Das Wichtigste im Überblick
- Verbraucher bleibt Verbraucher – Auch wenn ein Coachingprogramm auf eine Existenzgründung vorbereitet, bleibt der Kunde Verbraucher, wenn er sich noch in der Orientierungsphase befindet.
- Online-Coaching kann ein Fernunterrichtsvertrag sein – Da der Unterricht überwiegend online stattfand und eine Erfolgskontrolle durch Live-Calls und Chatgruppen gegeben war, qualifizierte das Gericht den Vertrag als Fernunterrichtsvertrag nach dem FernUSG.
- Ohne staatliche Zulassung: Vertrag nichtig – Da die Anbieterin keine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) hatte, erklärte das Gericht den Vertrag für nichtig.
- Fehlende Widerrufsbelehrung = Widerruf wirksam – Der Kunde hatte keine korrekte Widerrufsbelehrung erhalten, wodurch die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann. Der Widerruf war daher auch nach Monaten noch möglich.Listenelement
Was war passiert?
Ein Teilnehmer buchte über eine Website ein Online-Mentoring-Programm zur Vorbereitung auf eine Existenzgründung. Der Kurs bestand aus Videolektionen, regelmäßigen Live-Calls und einer Chat-Gruppe. Nach einigen Monaten widerrief der Kunde den Vertrag und forderte sein Geld zurück. Die Anbieterin verweigerte dies mit dem Argument, es handle sich um ein Unternehmergeschäft, für das kein Widerrufsrecht bestehe.
Kontakt aufnehmen
Jetzt anrufen
Was bedeutet das für Coaches und Online-Anbieter?
Das Urteil zeigt, dass Coaching-Programme, insbesondere mit digitalen Lerninhalten, unter das FernUSG fallen können. Fehlt eine Zulassung, ist der Vertrag möglicherweise unwirksam – mit der Folge, dass Kunden ihr Geld zurückfordern können.
🔹 Coaching-Anbieter sollten prüfen, ob ihre Programme unter das FernUSG fallen.
🔹 Widerrufsbelehrungen müssen korrekt und vollständig sein, um Rückforderungen zu vermeiden.
🔹 Unklare Vertragsbedingungen oder versteckte Klauseln helfen nicht – sie können im Zweifel unwirksam sein.
Verbraucherstatus oder Existenzgründer?
Nach deutschem Recht (insbesondere § 13 BGB) ist eine Person dann Verbraucher, wenn sie das Rechtsgeschäft nicht zu Zwecken abschließt, die ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Wer also noch vor der eigentlichen Gründung steht und zunächst Informationen oder Wissen erwirbt, handelt häufig als Verbraucher und genießt weitreichende Schutzrechte.
Beispiel:
Ein Coachingprogramm soll Ihnen erst das notwendige Know-how zur Entscheidung über eine Firmengründung vermitteln. Selbst wenn die Inhalte darauf abzielen, ein Geschäft zu eröffnen, kann das immer noch ein „Vorgründungsgeschäft“ sein. Sie behalten also den Schutz des Verbrauchers und sind nicht automatisch Unternehmer.
Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG)
Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) ist in vielen Fällen einschlägig, wenn die Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten „unter ausschließlicher oder überwiegender räumlicher Trennung von Lehrendem und Lernendem“ erfolgt und der Lernerfolg überwacht wird. Wird ein Vertrag als Fernunterrichtsvertrag eingestuft, müssen besondere Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sein. Fehlt diese Zulassung, kann der Vertrag gemäß § 7 FernUSG nichtig sein.
Widerrufsrecht bei Coachingverträgen
Fernabsatz und 14-Tage-Frist
Wird ein Vertrag ausschließlich über Fernkommunikationsmittel (z. B. Online-Bestellung, Telefon, E-Mail) geschlossen, liegt oft ein Fernabsatzvertrag vor (§ 312c BGB). Als Verbraucher hat man grundsätzlich 14 Tage Zeit, den Vertrag zu widerrufen. Diese Frist beginnt aber nur dann zu laufen, wenn ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wurde – andernfalls kann sich die Widerrufsfrist erheblich verlängern.
Häufige Fehler bei der Widerrufsbelehrung
In der Praxis haben Anbieter oft unklare oder fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in ihren AGB. Typische Mängel:
- Die Belehrung ist unvollständig oder verweist auf falsche Vertragstypen (z. B. „digitale Inhalte“, obwohl es sich tatsächlich um Fernunterricht oder ein Dienstleistungsverhältnis handelt).
- Es existieren mehrere Widerrufshinweise, bei denen sich Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sicher sein können, welcher gilt.
- Der Text stammt nicht aus dem gesetzlichen Muster, wurde verändert und schafft Verwirrung.
Wann das Widerrufsrecht (noch) nicht erloschen ist
Selbst wenn schon Coaching-Sitzungen stattgefunden haben, kann das Widerrufsrecht bestehen bleiben, sofern
- keine ordnungsgemäße Belehrung erfolgte, oder
- keine vollständige Leistungserbringung im Sinn des Gesetzes stattgefunden hat (bspw. wenn das gesamte Coachingpaket noch nicht abgeschlossen war),
- und vor allem, wenn keine wirksame „Zustimmung zum vorzeitigen Leistungsbeginn“ eingeholt wurde, die zum Erlöschen des Widerrufs führen kann.
Nichtigkeit durch fehlende Fernunterrichts-Zulassung
Coachinganbieter, die Inhalte über Online-Videokonferenzen oder Webinare vermitteln, bewegen sich oft im Grenzbereich:
- Tatbestandsmerkmal „räumliche Trennung“: Wer allein per Video oder Chat schult, unterfällt in aller Regel der „räumlichen Trennung“ nach dem FernUSG.
- Überwachung des Lernerfolgs: Ob durch Live-Calls oder Tests – sobald es eine Interaktion gibt, bei der der Coach individuell auf Verständnisfragen eingeht, liegt meist eine Form der Lernerfolgskontrolle vor.
Fehlt die Zulassung nach dem FernUSG, kann der Vertrag als nichtig gelten. In diesem Fall müssen bereits geleistete Zahlungen regelmäßig zurückerstattet werden.
Typische Fallkonstellationen aus der Praxis
- High-Ticket-Coachings (Preisniveau mehrere Tausend Euro), die vermeintlich Unternehmer ansprechen, aber faktisch an Einsteiger ohne Vorkenntnisse verkauft werden.
- Mentoringprogramme für „Existenzgründer“, bei denen sehr offen beworben wird, „man brauche keine Vorerfahrung“.
- Drittanbieter-Plattformen oder Abrechnungstools (z. B. CopeCart, Elopage), bei denen die vertragliche Hauptverpflichtung zwar vom Coach stammt, die Rechnungsstellung jedoch extern abgewickelt wird.
Gerade hier ist oft nicht klar, wer genau Vertragspartner ist – und wo Ansprüche geltend gemacht werden können.
Unser Service für Sie
Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei allen Fragen rund um Coaching-, Mentoring- und Fernunterrichtsverträge. Wir prüfen Ihren Fall eingehend und klären, ob
- ein Widerrufsrecht besteht,
- der Vertrag nach dem FernUSG nichtig ist,
- oder Sie anderweitige Kündigungsmöglichkeiten haben.
Dabei setzen wir uns konsequent für Ihr Recht ein – von der außergerichtlichen Einigung bis zur gerichtlichen Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
Häufig gestellte Fragen
Nicht immer. Auch wenn Inhalte auf eine Selbstständigkeit abzielen, sind Sie möglicherweise noch in der Gründungsphase und gelten rechtlich als Verbraucher.
2. Kann ich gezahlte Raten zurückfordern?
Ja, sofern ein wirksamer Widerruf oder die Nichtigkeit des Vertrags (z. B. wegen fehlender Fernunterrichts-Zulassung) vorliegt, können Sie die Rückzahlung verlangen.
3. Was ist, wenn mein Coach bereits Videos freigeschaltet hat?
Selbst bei sogenannten „digitalen Inhalten“ kann Ihr Widerrufsrecht bestehen bleiben, wenn Sie nicht ordnungsgemäßüber die Konsequenzen und den möglichen Verlust des Widerrufsrechts belehrt wurden.